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Kunst und Kultur in einer modernen und digitalen Welt

04.03.2024

Digitalisierung in der Kultur: Chancen und Herausforderungen

Alexander Mettin Bild: Midjourney

In einer Welt, die zunehmend von digitalen Technologien durchdrungen ist, findet sich auch der Kultursektor an einem entscheidenden Wendepunkt. Die Digitalisierung im Kulturbereich ist eine Revolution, die weit über die Digitalisierung von Inhalten hinausgeht. Sie öffnet Türen für globalen Zugang, innovative Präsentationsformen und interaktive Erlebnisse. Museen, Theater und Kunstgalerien nutzen digitale Technologien, um die Grenzen zwischen Schöpfern und Publikum zu verwischen und immersive Erlebnisse zu schaffen, die Kultur auf neue Art erlebbar machen. Zugleich ermöglicht die Digitalisierung eine effizientere Ressourcennutzung und stärkt die Entwicklungs- und Ausdrucksmöglichkeiten in der digitalen Ära.

Diese Transformation erlaubt nicht nur eine neue Art der Präsentation und Erhaltung kulturellen Erbes, sondern fördert auch die Entwicklung neuer digitaler Ausdrucksformen. Sie beinhaltet zudem die Chance, messbare Daten über das Nutzungsverhalten des Publikums zu sammeln, wodurch Kulturinstitutionen ihre Angebote noch gezielter und effektiver gestalten können. Gleichzeitig wird durch die Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen der Arbeitsaufwand für das Personal reduziert, was Ressourcen freisetzt für kreative und kuratorische Tätigkeiten.

Die Digitalisierung im Kultursektor ist somit nicht nur eine technische Notwendigkeit, sondern auch ein strategischer Ansatz, um Kultur in all ihren Facetten für jeden zugänglich zu machen, unabhängig von geografischer oder physischer Barriere. Sie stellt Kulturinstitutionen vor die Herausforderung, nicht nur ihre Inhalte, sondern auch ihre Arbeitsweise und ihr Selbstverständnis zu digitalisieren – ein spannender Prozess, der den Kultursektor nachhaltig verändern wird.

Aktuelle Trends und Beispiele

VR - AR - XR Die digitale Revolution hat die Theater- und Kulturlandschaft tiefgreifend verändert, innovative Technologien wie Virtuelle Realität (VR), Erweiterte Realität (AR) und Künstliche Intelligenz (KI) rücken ins Zentrum kreativer Entfaltung. Ein Beispiel für diesen Wandel ist die digitale Inszenierung "Unser Leben in den Wäldern" am Staatstheater Augsburg, in der Schauspielerin Katja Sieder mittels digitaler Technologie in eine andere Welt versetzt wird, um dem Publikum eine unvergleichliche immersive Erfahrung zu bieten. Während des Lockdowns Lockdowns 2020 begann das Theater Augsburg, VR-Brillen an Abonnenten zu versenden, um ihnen einzigartige Theatererlebnisse direkt nach Hause zu bringen. Diese Pionierarbeit führte zur Etablierung einer eigenen Sparte für Digitaltheater, die es dem Publikum ermöglicht, Schauspiele und Ballette in dreidimensionaler Räumlichkeit zu erleben. Andere Institutionen wie das Staatstheater Nürnberg und die Akademie für Theater und Digitalität des Theaters Dortmund folgen diesem Trend und erkunden die Möglichkeiten von Extended Reality (XR) und digitalen Technologien, um neue Formen der Partizipation und Interaktion zu schaffen.

Auch die Produktion der Deutschen Oper am Rhein, bei der AR-Brillen verwendet wurden, um das traditionelle Programmheft zu ersetzen und das Publikum mit Hintergrundinformationen und Übertiteln in verschiedenen Sprachen zu versorgen. Diese Innovationen zeigen, dass die Digitalisierung nicht nur die Art und Weise, wie Theater produziert und erlebt wird, revolutioniert, sondern auch neue Möglichkeiten für Bildung und Zugänglichkeit eröffnet.

Dennoch steht die Opernwelt der Digitalisierung noch etwas zögerlich gegenüber. Jedoch setzt das Staatstheater Augsburg auch hier Akzente, wie die Inszenierung von Glucks "Orfeo ed Euridice" in VR zeigt, die eine neue Herangehensweise an klassische Stoffe ermöglicht und die Diskussion über das Potenzial digitaler Technologien im Musiktheater anregt

Die Beispiele aus Augsburg und anderen Theatern in Deutschland verdeutlichen, dass digitale Technologien das Potenzial haben, das Theater zu demokratisieren, indem sie es einem breiteren Publikum zugänglich machen und gleichzeitig neue kreative Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen. Die Herausforderung besteht darin, diese Technologien sinnvoll zu integrieren und gleichzeitig das essentielle Gemeinschaftserlebnis des Theaters zu bewahren. Die Zukunft des Theaters könnte in einer harmonischen Verschmelzung von traditionellen Formaten und digitalen Innovationen liegen, die sowohl die künstlerische Qualität als auch die Reichweite und Diversität des Publikums erhöht und Barierefreiheit ermöglicht.

Chancen und Herausforderungen

Chancen durch Digitalisierung

Erweiterung der Reichweite: Die Digitalisierung der Kulturbranche birgt sowohl immense Potenziale als auch signifikante Herausforderungen. Um diese erfolgreich zu navigieren, bedarf es einer strategischen Planung, staatlicher Unterstützung und der Bereitschaft zur kontinuierlichen Anpassung und Innovation. Mehr hierzu in dem Blogartikel: DIE KRAFT DES KULTURMARKETINGS: STRATEGIEN UND FALLSTUDIEN

Neue Einnahmequellen: Neben klassischen Ticketeinnahmen können digitale Inhalte und Dienstleistungen zusätzliche Finanzierungsquellen für Kultureinrichtungen darstellen. Dazu zählen beispielsweise virtuelle Touren, Online-Workshops oder digitale Leihgebühren für Archive und Sammlungen.

Kreativität und Interaktion: Digitale Plattformen und Technologien wie VR, AR und KI bieten neue Wege für kreative Ausdrucksformen. Sie ermöglichen es Künstlern und Kulturschaffenden, mit ihrem Publikum auf innovative Weise zu interagieren, beispielsweise durch interaktive Führungen oder Performances, bei denen Zuschauer aktiv einbezogen werden.

Workload der Mitarbeiter verringern: Automatisierung und KI-gesteuerte Systeme können repetitive Aufgaben übernehmen und so den Arbeitsaufwand im Backoffice signifikant reduzieren. Dadurch können sich Mitarbeiter stärker auf kreative und strategische Aufgaben konzentrieren. WIE TECHNOLOGIE DAS PUBLIKUMSERLEBNIS IM THEATER TRANSFORMIERT UND DIE VERWALTUNG ENTLASTET

Herausforderungen der Digitalisierung

Finanzielle und technische Hürden: Die Anschaffung und Implementierung digitaler Technologien erfordern Investitionen, die für viele Kultureinrichtungen eine Herausforderung darstellen. Darüber hinaus ist technisches Know-how erforderlich, um digitale Angebote zu entwickeln und zu pflegen.

Staatliche Förderung Die Unterstützung durch staatliche Förderprogramme wie z.B. GO-DIGITAL (50% Zuschuss-Förderung) ist essentiell, um den kulturellen Institutionen den Übergang in die digitale Welt zu erleichtern. Dabei ist eine transparente und behutsame Einbindung der Mitarbeiter von Anfang an entscheidend, um Akzeptanz und Engagement zu fördern.

Fundraising: Im Zuge der Digitalisierung im Kulturbereich stellt Fundraising eine wesentliche Herausforderung dar, zugleich aber auch eine Chance, die notwendigen finanziellen Mittel für die Umsetzung digitaler Projekte zu sichern. Kulturelle Institutionen stehen vor der Aufgabe, neben staatlichen Förderungen zusätzliche Finanzierungsquellen zu erschließen. Ein professionelles Fundraising ermöglicht es, spezielle digitale Vorhaben zu realisieren und dabei eine gewisse Unabhängigkeit von politischen Agenden zu bewahren. Dies erfordert jedoch ein Umdenken und die Entwicklung von spezifischem Know-how im Bereich des Fundraisings, um erfolgreich private und institutionelle Geldgeber anzusprechen und zu binden. Mehr dazu findet sich auf kulturmanagement.net und im April in meinem nächsten Blogartikel über Fundraising!

Digitale Kompetenz: Es besteht ein zunehmender Bedarf an Weiterbildung und der Entwicklung digitaler Kompetenzen bei Kulturschaffenden. Lösungsansätze umfassen Fortbildungsprogramme und Workshops, die speziell auf die Bedürfnisse von Kultureinrichtungen und deren Mitarbeitern zugeschnitten sind.

Bewahrung des kulturellen Erbes: Die digitale Transformation wirft Fragen zur Authentizität und zum Erhalt kultureller Inhalte auf. Es besteht die Gefahr, dass die digitale Reproduktion die physische Erfahrung und den Wert originaler Kunstwerke und historischer Artefakte mindert. Lösungsansätze könnten in der Entwicklung von Standards und Richtlinien für die digitale Archivierung liegen, die den Wert des Originals respektieren und bewahren.

Gefahren einer digitalen Infrastruktur: Datenschutz, Cybersecurity und die Abhängigkeit von Technologieanbietern sind zentrale Risiken. Vorbeugende Maßnahmen umfassen Investitionen in sichere IT-Infrastrukturen, regelmäßige Schulungen zum Thema Cybersicherheit für Mitarbeiter und die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen, die die Interessen von Kultureinrichtungen schützen.

Die Digitalisierung der Kulturbranche birgt sowohl immense Potenziale als auch signifikante Herausforderungen. Um diese erfolgreich zu navigieren, bedarf es einer strategischen Planung, staatlicher Unterstützung und der Bereitschaft zur kontinuierlichen Anpassung und Innovation.

Fallstudien und Interviews

Das Städel Museum in Frankfurt und das Theater Dortmund sind beispielhafte Kultureinrichtungen, die die digitale Transformation erfolgreich umgesetzt haben, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Initiativen.

Das Städel Museum hat seine digitale Strategie umfassend integriert, um die Kunst und Kulturgeschichte einem globalen Publikum zugänglich zu machen. Durch die Etablierung einer digitalen Sammlung hat das Museum es ermöglicht, dass Benutzer individuelle Online-Erfahrungen gestalten können. Diese digitale Sammlung bietet hochauflösbare Bilder, Schlüsselfakten, kuratorische Texte sowie Video- und Audioinhalte zu bestimmten Kunstwerken. Besonders hervorzuheben ist die intuitive Navigation und die Möglichkeit, Kunstwerke basierend auf komplexen Schlagworten zu durchsuchen, was eine tiefe und zugleich breite Erkundung der Sammlung ermöglicht. Die digitale Expansion des Städel Museums zeigt sich nicht nur in der digitalen Sammlung, sondern auch in einer Vielzahl von Initiativen, die digitale Mittel zur Vermittlung kultureller Inhalte nutzen. Dies unterstreicht die Rolle des Museums als Pionier in der digitalen Kommunikation von Kunst und Kultur.
m Gegensatz dazu liegt beim Theater Dortmund der Fokus auf der Erkundung neuer Formate durch die Akademie für Theater und Digitalität, die digitale Techniken in einem laborhaften Kontext ausprobiert, auch für andere Häuser. Das Theater Dortmund engagiert sich stark in der Erforschung und Anwendung digitaler Technologien im Theaterkontext, um neue Formen der Partizipation und des Engagements zu schaffen. Allerdings sind spezifische Projekte oder die direkte Anwendung digitaler Technologien wie VR oder AR in aktuellen Produktionen aus den verfügbaren Quellen nicht detailliert beschrieben.
Beide Institutionen zeigen, dass die digitale Transformation in der Kulturbranche vielfältige Formen annehmen kann, von der digitalen Archivierung und Zugänglichkeit von Kunstwerken bis hin zur Erkundung neuer performativer Technologien im Theater. Während das Städel Museum eindeutig eine führende Rolle in der digitalen Präsentation und Vermittlung von Kunst einnimmt und damit ein hervorragendes Beispiel für die erfolgreiche digitale Transformation darstellt, zeigt das Engagement des Theaters Dortmund im Bereich der digitalen Forschung und Entwicklung das Potenzial für innovative theatralische Erfahrungen. Beide Ansätze sind zukunftsweisend und demonstrieren das Engagement der Kulturinstitutionen, die digitale Revolution als Chance zur Erweiterung ihrer Reichweite und zur Vertiefung des kulturellen Erlebnisses zu nutzen.

In einem Interview der Technologiestiftung Berlin mit der verantwortlichen Projektmanagerin Silvia Faulstich wird über das Spannungsfeld von Digitalität und Kultur gesprochen. Sehr zukunftsorientiert und lesenswert. Hier geht es zum Interview.

Handlungsempfehlung

Für Kultureinrichtungen am Anfang ihrer digitalen Transformation ist die Entwicklung eines ethisch fundierten, mitarbeiterzentrierten Ansatzes entscheidend. Ein erster Schritt ist ein Workshop mit einem externen Digital- oder KI-Berater und einem Entscheidungsgremium der Institution, um Bereiche für die Digitalisierung zu identifizieren. Es ist essenziell, dass dieser Prozess in enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern erfolgt, um zu unterstützen und zu entlasten, nicht zu ersetzen. Der Fokus sollte darauf liegen, wie digitale Werkzeuge das Team ergänzen können, wobei ethische Überlegungen berücksichtigt werden müssen. Ziel ist es, Bereiche zu identifizieren, in denen Digitalisierung notwendig ist und erste Schritte zu planen. Es gilt zu entscheiden, ob der Fokus auf der Verwaltung oder dem Zuschauererlebnis liegen soll und welche Maßnahmen den größten Kostennutzenfaktor aufweisen. Anschließend muss eine detaillierte Strategie inklusive Finanzierungsplan erarbeitet werden, wobei Fördermöglichkeiten eine wesentliche Rolle spielen.